Paderborn familienfreundlich? – Warum wir in die Domstadt gezogen sind

Vor einiger Zeit bin ich auf eine längst abgeschlossene Eltern-Blogparade gestolpert, in der Elternblogger “ihre” Städte vorstellen. Die habe ich leider verpasst – trotzdem möchte ich euch “meine” Stadt aus der Familienperspektive vorstellen. Paderborn und ich – das war nicht immer die große Liebe, und ich bin sehr froh auch ein paar Jahre weg gewesen zu sein. Vor gut zwei Jahren sind wir sehr bewusst wieder hierher zurückgezogen, weil wir Paderborn als sehr familienfreundlich kennengelernt haben. Weil unser bisheriger Standort im Süden Hamburgs für uns als Familie nicht mehr das Richtige war. Warum gerade Paderborn familienfreundlich ist und was für uns als Familie entscheidende Standortfaktoren sind? Das erzähle ich euch heute!

Paderborn – allgemein

Paderborn ist eine kleine Großstadt mit 150.000 Einwohnern und liegt im östlichen Westfalen, ziemlich genau im Bermuda-Dreieck von Bielefeld, Dortmund und Kassel. Ihren Namen hat die Stadt von der Pader, Europas kürzesten Fluss. Sie entspringt mitten in der Stadt, dem Paderquellgebiet, das zugleich einer der schönsten Orte der Stadt ist.

Paderborn gilt als provinziell und ein bisschen rückständig, und ich werde an dieser Stelle gar nicht dagegen argumentieren. Ob diese Stadt provinziell und rückständig ist, kommt enorm auf den Blickwinkel und die eigene Einstellung an. (Und es kommt auch auf den Blickwinkel an, ob man “provinziell” eher als positiv oder negativ wahrnimmt.)  Natürlich sind “wir Ostwestfalen” manchmal genau so, wie man es uns nachsagt – dann gehen wir zum Lachen in den Keller, bekommen die Zähne nicht auseinander und reden um Himmels Willen niemals mit Fremden. Aber “wir” können auch sehr herzliche und kontaktfreudige Menschen sein *lach*. Übrigens habe ich auch schon in größeren und “moderneren” Städten gewohnt, die in punkto Rückständigkeit durchaus mit dem Ruf Paderborns mithalten könnten. Aber dies nur am Rande.

Paderborn Paderquellgebiet

Infrastruktur, Stadtbild und Innenstadt

Die Innenstadt selbst ist nicht wirklich groß. Was mich in größeren Städten schon manches Mal zur Verzweiflung gebracht hat, ist hier alles recht nahe gelegen: Wer gut zu Fuß ist, kann die Paderborner Innenstadt innerhalb von 15 Minuten durchqueren. Die Wege sind kurz und man muss nicht drei U-Bahnstationen vom Café zum Kino und zum Shopping fahren. (Eine U-Bahn oder Straßenbahn gibt es auch gar nicht.) Der Nachteil: Man hat dann recht schnell alles gesehen. Natürlich gibt’s hier noch viel zu entdecken – gerade die Stadtgeschichte und viele alte Bauten haben viel zu erzählen, z. B. der Paderborner Dom (s. Titelbild).

 

(Kirchen haben wir eine ganze Menge hier – das ist typisch für diese Stadt, die zugleich ein Erzbistum ist und wahrscheinlich die katholischste Stadt nach dem Vatikan *hust*. Da muss man sich drauf einstellen, wenn man hierher zieht – die Stadtgeschichte ist eng mit der Kirchengeschichte verknüpft. “Die Paderborner” sind heute aber auch nicht mehr alle katholisch.)

Paderborn Domplatz

Bei der Erreichbarkeit und Infrastruktur kommt gleich ein unschlagbarer Vorteil Paderborns im Vergleich zu anderen Städten: Die Parkgebühren sind lächerlich gering. Zentral kann man wunderbar in der Tiefgarage parken, über die man diverse Geschäfte trockenen Fußes erreicht. Außerdem sind rings um den “inneren Ring” günstige Parkplätze zu finden – wenn nicht gerade Libori ist – dann fährt man am besten mit den Öffis.

Besorgungen sind in der Innenstadt schnell gemacht, für kurzweilige Erholung und Pausen sorgen viele Cafés. Als Mama nutze ich die nur sehr selten, denn entgegen dem Klischee sitze ich NICHT ganze Vormittage dort um mit anderen gelangweilten Mamas Kaffee zu trinken und mich über neueste Breigerichte auszutauschen.

Entscheidungsfaktor: Betreuungsgebühren

Soweit klingt das nach einer ganz normalen Kleinstadt. Was macht Paderborn also familienfreundlich? Für uns war das ausschlaggebende Argument nach Paderborn zu ziehen ganz schlicht und ergreifend: Geld. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass wir seit unserem Umzug den Spagat zwischen Hamburg und Paderborn machen, denn Stefan arbeitet nach wie vor vier Tage die Woche in Hamburg! Lohnt sich das also für uns als Familie? Immerhin hat er auch die Fahrerei und den zweiten Wohnsitz zu bezahlen.

Kurzer Rückblick in unser Leben vor Paderborn: Vorher lebten wir im Süden Hamburgs (recht weit außerhalb – von wegen Provinz!). Wir hatten damals zwei Kinder Vollzeit im Kindergarten und Krippe und waren im Monat locker 700€ für die Betreuung los. Dabei war die Qualität der Betreuung zumindest in einem Kindergarten eher mäßig. Neben meiner persönlichen Jobhölle (hier habe ich schon einmal darüber geschrieben) war diese Zeit alles andere als lustig.

Tatsächlich gibt es hier ein sehr familienfreundliches Gebührenmodell. Natürlich richten sich die Gebühren hier auch nach der Stundenzahl und dem Einkommen, allerdings ist allein die Tabelle schon sehr viel familienfreundlicher (und realistischer) gestaltet. In unserem vorherigen Ort erreichte man schon mit einem kleinen Einkommen ganz schnell die höchste Bezahlstufe, wohingegen die Staffelung hier sehr viel “humaner” ist.

Paderborn Markt

 

Ab dem zweiten Kind wird die Rechnung interessant

Interessant wird die Rechnung mit den Betreuungsgebühren ab dem zweiten Kind. Denn wer “nur” ein Kind hat, kann womöglich die paar Jahre irgendwie überbrücken. Und da es mit “nur” einem Kind deutlich einfacher ist auch als Mutter wieder in den Beruf zurückzukehren, fällt dieses Loch in der Familienkasse bei Ein-Kind-Familien oder auch Familien mit zwei Kindern nicht so sehr ins Gewicht. (Das soll jetzt keine neidvolle Klage sein, ich bin ja mit meiner Lebenssituation mehr als glücklich und stehe voll dahinter! Und ich will auch niemand verurteilen, der “nur” ein Kind hat. Aber faktisch ist vieles schneller wieder möglich als wenn man vier Kinder hat, z.B. in den Beruf zurückzukehren…)

In unserem letzten Wohnort zahlte das erste Kind 100% Gebühren, das zweite 75% und das dritte 70%. Ab dem dritten Kind hätten wir also circa 900€ im Monat nur für den Kindergarten bezahlt. Finja wäre dann in die Schule gekommen; die Nachmittagsbetreuung hätte “nur” 150€ gekostet. Jesper wäre dann aber auf 100% gerutscht und Marla auf 75%. Macht in Summe immer noch 900€. Das wäre für uns nicht bezahlbar gewesen – ein viertes Kind hätten wir uns schlichtweg nicht leisten können. Die Schulbetreuung ist auch eine halbe Stunde kürzer als der Kindergarten – wir hätten also zusätzlich auf Stunden (und damit Gehalt) verzichten müssen um es irgendwie hinzubiegen. Dass das auch eine nervliche Belastung ist und früher oder später zwangsläufig zum Streitthema wird, kommt noch hinzu!

 

Das Paderborner Gebührenmodell: 11.000€ in zwei Jahren gespart

Was ist jetzt an dem Paderborner Gebührenmodell so toll? Ich habe schon die viel humanere Staffelung in der Berechnungstabelle erwähnt.  Zudem sind die Gebühren an sich um einiges günstiger, was allein schon unsere monatliche Belastung immens zurückgeschraubt hat. Abgesehen davon gibt es eine Besonderheit hier in Paderborn, die eigentlich bundesweit gelten müsste, wenn man ernsthaft daran interessiert ist Eltern und potentielle Eltern zum Kinderkriegen zu bewegen (und zwar zum mehrfachen Kinderkriegen!): Geschwister haben eine Flatrate!

Wir bezahlen nur für das älteste Kind im Kindergarten, alle weiteren Kinder gehen kostenlos.

Kostenlos? Kostenlos!

Und zwar auch dann, wenn das älteste Kind im Vorschuljahr ist und selbst nichts mehr bezahlen muss! Das bedeutet tatsächlich, dass wir in dem Jahr, in dem unser ältestes Kind Vorschulkind ist, alle Geschwister auch nichts bezahlen müssen! Zum Vergleich: Das kostenlose Jahr vor der Einschulung gab es in unserem bisherigen Wohnort auch, allerdings rutschte dann ja Kind Nr. 2 auf 100% Beitrag.

Wir bezahlen natürlich noch Essensgeld, das hier taggenau abgerechnet wird (das war in dem letzten Kindergarten auch nicht so). Wenn wir wegen Krankheit, Urlaub oder unserem Familientag die Kinder mal vor dem Mittagessen abholen, müssen wir es auch nicht bezahlen! Im letzten Kindergartenjahr machte das für zwei Kinder schon so 200€ aus! Übrigens ist die Betreuungsqualität hier deutlich besser als in unserem letzten Kindergarten, in dem die Belegschaft dauerkrank war und wir in nur zwei Jahren diverse Personalwechsel miterlebt haben.

Hier gehen die Kinder in einen katholischen Kindergarten, was mich als erklärte Heidin durchaus schon zum Grübeln gebracht hat. Aber der Kindergarten ist top eingerichtet, die Erzieherinnen sind allesamt engagiert, kompetent und hervorragend ausgebildet – und auch wenn Finja sich immer über das Essen beschwert, so weiß ich doch, dass sie hier sicher und geborgen aufgehoben sind. (Seit sie mittags zuhause ist, beschwert sie sich auch – wenn es nicht gerade Kartoffeln mit Sauce Hollandaise gibt…)

Stefan hat übrigens neulich mal ausgerechnet, was wir bisher so an Kindergartengebühren gespart haben und kam auf grob 11.000€ in gut zwei Jahren. Das lasse ich jetzt einfach mal so stehen.

 

Paderborn familienfreundlich

 

Bezahlbarer Wohnraum, Kindergartenplätze, Familienkarte

Neben diesem Faktor brauchten wir nicht so viele weitere Argumente um uns für Paderborn zu entscheiden.Tatsächlich beobachte ich bei uns und im Bekanntenkreis, dass Geld für Familien ein Dauerthema ist. Das mag auch schon immer so gewesen sein, das kann ich nicht beurteilen. Aber haben sich gut verdienende Paare auch früher schon gegen weitere Kinder entschieden, weil sie es sich nicht leisten konnten? Wir haben den Fall bei Freunden, die noch an unserem letzten Wohnort leben. Sie hätten gern ein drittes Kind. Sie arbeiten beide in gut bezahlten Positionen. Aber aus finanziellen Gründen (Kinderbetreuung + Kredit) haben sie sich dagegen entschieden. Das finde ich schon sehr traurig.

Klar, es können jetzt nicht alle hierher nach Paderborn kommen – aber vielleicht kann das Modell hier (deswegen stelle ich das ja vor) ja Eltern in anderen Regionen inspirieren mal die eigenen Kitagebühren in Frage zu stellen.

Für uns war es definitiv die beste Entscheidung. Meine Familie lebt hier, da hatten wir also einen Anlaufpunkt. Stefans Familie lebt noch in Hamburg, weshalb er da unter der Woche günstig wohnen kann. Und wir hatten das sagenhafte Glück, dass wir nun auch das Haus meiner Mutter kaufen konnten. Überhaupt eine Immobilie zu kaufen wäre im Großraum Hamburg gar nicht drin gewesen.

Hier ziehen die Immobilienpreise seit ein paar Jahren auch ganz gut an, aber noch ist es möglich sich als Familie den Traum vom eigenen Haus zu erfüllen. Es gibt im Raum auch immer mal wieder neue Baugebiete – die Warteliste ist allerdings lang! Bevor ihr jetzt also alle die Koffer packt und hierher zieht, empfehle ich eine eingehende Recherche. Und: Die Preise sind auch hier deutlich angestiegen, hinter vorgehaltener Hand wird hier auch von Immobilienblase gesprochen. Von halben Millionen für ein mickriges Grundstück mit baufälligem Haus drauf sind wir hier aber noch ein bisschen entfernt.

Das Angebot an Kindergärten und Schulen ist (soweit ich das bisher überblicke) ausreichend. Im Moment wächst die Nachfrage nach Kindergartenplätzen – wir erleben in Paderborn tatsächlich einen Zuzug von Familien. Wir haben unseren Jüngsten also schon angemeldet, auch wenn er noch zwei Jahre Zeit hat. Bei uns im Ort sind drei Kindergärten, die alle voll ausgebucht sind und gar nicht alle Kinder aufnehmen können. Auch hier empfehle ich eine Recherche. Die Kindergartenplatzvergabe wird zentral über einen KiTaNavigator gesteuert, da kann man seinen Bedarf eingeben, und die Stadt kann besser planen.

Zur Wohn- und Betreuungsfrage kommen weitere Dinge, die mir hier in Paderborn einfach gut gefallen, z.B. die Familienkarte, die uns zahlreiche Vergünstigungen verschafft, etwa in die Landesgartenschau. Es gibt hier ein großes Angebot toller Spielplätze, die ich euch im Einzelnen noch vorstellen will, und viele Freizeit- und Bildungsangebote, die alles andere als “provinziell” sind.

Paderblog

Dieser Beitrag ist der Auftakt einer kleinen Paderborn-Serie. Ich lebe inzwischen sehr gern hier und weiß, dass meine Kinder hier gut aufwachsen können. Deshalb möchte ich gern das familienfreundliche Paderborn vorstellen, das ich inzwischen sehr zu schätzen weiß. Viele Dinge auf dem Schulhof sind hier noch ein bisschen “provinziell”, und das finde ich auch ganz gut. Darauf werde ich sicher in einem der kommenden Beiträge näher eingehen. Wenn Du keinen neuen Beitrag verpassen willst, dann trag dich doch in meinen neuen Pader-Newsletter ein!

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Wie sieht es bei euch aus? Seid ihr “zufrieden” mit Eurer Stadt? Und wie sind die Gebührenmodelle bei euch? Und habt ihr schon die Koffer gepackt um herzuziehen? 🙂

Bis demnächst,

Eure Sonja

 

Links

Stadt Paderborn – offizielle Seite

Familien Service Center Paderborn

Paderborn in der Wikipedia

Pader, Wikipedia

Erzbistum Paderborn

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Sonja

Sonja ist leidenschaftlich dem Nähen und Bloggen verfallen und Mama von vier Kindern. Hier auf dem Blog teilt sie ihre Nähwerke, Nähanleitungen, DIY-Tutorials und ihre Schnittmuster für Kinderkleidung und Geschenke mit der Welt. Abseits davon hat sie einen Faible für Philosophie und Kunst und steht auf laute Musik, Endzeitfilme, Kaffee mit Creme und Yoga. Mehr über Sonja erfährst Du hier.

2 Gedanken zu „Paderborn familienfreundlich? – Warum wir in die Domstadt gezogen sind“

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